Sonntag, 1. Januar 2017

Der Hund und die Demokratie

Auf die Frage "Was erwarten Sie von ihrem Hund?" bekommen wir meistens dieselbe Antwort: Er soll Hund sein dürfen! Er darf machen was er will, soll aber sofort kommen wenn man ihn ruft. Er soll viele Hundekontakte haben, sich mit jedem vertragen und natürlich Freilauf geniessen. Das Ziehen an der Leine stört ein wenig, aber meistens läuft er ja frei. Jagen darf er natürlich nicht und soll auch nichts draussen fressen. Wenn er die Kommandos Sitz, Platz und Bleib befolgt reicht mir das.
Er darf mich stürmisch begrüssen wenn ich nach Hause komme (es ist schön wenn er sich so freut) aber den Besuch darf er nicht anspringen und soll sich auch nicht so hochfahren. Wenn es klingelt soll er kurz bellen, damit jeder weiss, dass ein Hund im Haus ist. Natürlich soll er auch auf Familie und Haus aufpassen. 
Da er eigenes Spielzeug hat, soll er nicht an das Spielzeug der Kinder gehen und natürlich auch nichts kaputt machen.
Das liesse sich jetzt noch ewig so weiterführen. Wenn man einmal genau liest handelt es sich um einen Wiederspruch nach dem anderen!
Fangen wir mal mit dem ersten Satz an:
"Er soll Hund sein dürfen"
Hund sein zu dürfen heisst für den Hund etwas völlig anderes. Der Hund ist ein intelligenter, sozial lebender Beutegreifer, mit Instinkten die er befriedigen  möchte. Zu seinen Instinkten gehört auch der Jagdinstinkt, welchen man durchaus für sich nutzen kann.

"Er darf machen was er will, soll aber sofort kommen wenn man ihn ruft"
Sorry, aber in einem "Rudel" muss irgendjemand die Führung übernehmen und wenn der Mensch es nicht tut, wird der Hund es tun! Die meisten Hunde lassen sich lieber führen, da Führen viel Arbeit und Verantwortung bedeutet. Das Ganze hat nichts mit Dominanz zu tun 😉.  Wenn der Hund zwangsläufig die Führung übernehmen muss, warum sollte er dann auf das erste Rufen zurück kommen? Er wird Prioritäten setzen!

"Er soll viele Hundekontakte haben"
In der Tierschutz-Hundeverordnung steht unter § 2 (Allgemeine Anforderungen an das Halten von Hunden) Absatz 2: Nicht aneinander gewöhnte Hunde dürfen nur unter Aufsicht zusammengeführt werden. 
In Absatz 3 wird ausgeführt:
(3) Einem einzeln gehaltenen Hund ist täglich mehrmals die Möglichkeit zum länger dauernden Umgang mit Betreuungspersonen zu gewähren, um das Gemeinschaftsbedürfnis des Hundes zu befriedigen.
Von "wilden" Begegnungen mit fremden Artgenossen steht da nichts, ganz im Gegenteil. Und was sollen bitte zwei gleichgeschlechtliche erwachsene Hunde  (welche sich nicht kennen) miteinander Spielen? Das Ganze ist sehr menschlich gedacht.

"Das Ziehen an der Leine" stört nicht nur Sie, sondern ist auch grosser Stress für den Hund - eine teuflische Spirale! Abgesehen von gesundheitlichen Problemen die dadurch beim Hund entstehen können (egal ob am Geschirr oder am Halsband) unterbindet dieser Stress das Lernen!
Die Freilaufmöglichkeiten sind eingeschränkt. Wenn ich meinen Hund schon im Haus nicht auf einen Platz absetzen kann, oder im eingezäunten Garten nicht 100% zurückrufen kann, wie kann ich meinen Hund dann draussen Freilauf gewähren?

"Der Hund soll draussen nichts fressen"
Dann kann man kaum selbst eine Handvoll Futter im Garten verteilen oder  Spielzeug verwenden, welches Leckerchen frei gibt. Dasselbe gilt für die zur Zeit so modernen Teppiche zur Futtersuche - Erklären Sie das mal Ihrem Hund!

Meiner Meinung nach hat jeder Hund das Recht auf eine beziehungsorientierte Erziehung unter Berücksichtigung seines natürlich Verhaltens und seiner Biologie.
Dem Hund nur ein paar Kommandos / Tricks beizubringen ist nur Dressur, menschlicher Egoismus und dem Hund gegenüber sehr unfair!