Dienstag, 19. Mai 2015

Der Umgang mit der Freiheit...

Wieviel Freiheit braucht ein Hund? Und wer belästigt wen?

Schuld sind auf jeden Fall immer die anderen. Das heißt, wenn ein Hund einen Jogger, Reiter oder meine Kutsche jagd hat nicht der Hundehalter Schuld, sondern Jogger und Co. - ist das Reiten denn da überhaupt erlaubt?

Eine ältere Dame, welche mit ihrem kleinen Terrier-Mix spazieren geht, bekommt Angst und nimmt ihren kleinen Hund auf den Arm, nur weil ein "freundlicher" Labbi auf sie zurennt. Die Labbi-Besitzerin brüllt von weitem: "Der will doch nur Hallo sagen!" Im gleichen Moment springt der Labbi an der Dame hoch und sie geht zu Boden. Die Labbi-Besitzerin erklärt mir: "Das ist sie doch selbst schuld, wenn sie umgeworfen oder bei einer solchen Aktion einmal gebissen wird. Ihr Kleiner hat doch auf dem Arm herumgepöbelt! Und jeder weiss, dass man einen Hund nicht hochheben soll wenn ein anderer kommt."

Besonders toll finde ich die Geschichte von Wotan und seinem Frauchen. Ich fahre mit meinen beiden Shettyhengsten und Leon (meinem Goldi) auf einem Feldweg eine Runde spazieren, als plötzlich ein kleiner Mischling Namens Wotan kläffend auf meine Shettys losstürmt - Frauchen mit gehörigem Abstand gut 100 m dahinter! Sagen wir einmal mir, oder mit mir sind die Pferde durchgegangen - ein leichtes Schnalzen, Hand vor und ab geht die Post! Dazu noch ein kleiner Hilfeschrei (das macht das Ganze glaubhafter und die Ponys schneller) und alle haben richtig Spaß. Die Ponys dürfen einmal richtig rennen und Woooootan hat ebenso richtig viel Spaß und Bewegung. Nur Leon (der muss in diesem Fall auf der Kutsche bleiben) und Wotans Frauchen finden das Ganze nicht so toll. Sie rennt im Kostüm mit kurzem Rock - mittlerweile auf den guten Perlonstrümpfen und in jeder Hand einen Stöckelschuh - über das frisch gepflügte Feld, um uns den Weg abzuschneiden. Was für ein tolles Bild - und noch dazu untermalt von lautem Gebrüll: "Woooooootan hiiiiiiieeer! - komm sofort hier heeeeer - Woooootan!"
Kurz vor dem Ende des Feldweges pariere ich die Ponys durch. Woooootaaan ist immer noch hinter uns her, mittlerweile jedoch ohne zu kläffen und mit rund 5 m Abstand. Ich wende die Ponys und fahre im Schritt auf die Dame zu. Diese ist noch recht weit von uns entfernt und schliesslich möchte ich ihr ihren Hund zurückzubringen. Für Sie ist es in keiner Weise klar, dass die Ponys nicht durchgegangen sind! Was jetzt kommt ist schier unglaublich: Sie versucht immer noch ihren Hund rund um meine Kutsche einzusammeln und schreit mich an: "Wenn Sie ihre Pferde nicht im Griff haben, dann haben sie in der  Öffentlichkeit nichts zu suchen!". Aha. Ich hätte ein überschwängliches Danke, oder vielleicht eine winzige  Entschuldigung erwartet, etwa "lieb, dass Sie zurück gekommen sind." Im Gegenteil, ich werde wüst beschimpft. Aber: wer belästigt hier eigentlich wen?

Eine Freundin berichtet, dass sie mit 3 Freundinnen und deren 3 Hunden einen Spaziergang macht. Alle 3 Hunde laufen frei, als plötzlich ein Skater auftaucht. Einer der Hunde eröffnet sofort die Jagd, der Skater fährt unbeeindruckt weiter. Die anderen beiden Hunde rennen auch noch hinterher. Der Beschreibung nach war das Einfangen der Hunde sehr aufwendig. Nachdem alle Hunde wieder bei ihren Haltern sind - natürlich mit Hilfe des Skaters - macht sich das Frauchen des Hundes, welcher die Jagd eröffnet hat kurz Vorwürfe. Nun machen ihre Freundinen ihr sofort klar, dass sie und ihr Hund nichts dafür können - natürlich ist der Skater schuld! Der hätte ja mal direkt anhalten können, der A...!

Eine Kundin beschwert sich bei mir über freilaufende Kinder! "Können die sich nicht wie zivilisierte Menschen bewegen? Müssen die so herumspringen und auch noch Ball auf der Straße spielen? Dafür gibt es doch extra Kinderspielplätze!"

Leider sind das alles keine Einzelfälle! Ich kenne noch mehr von diesen leider wahren Geschichten.
Oft frage ich mich: Sind das Verhalten und die Reaktionen der Hundehalter einfach nur Hilflosigkeit und Überforderung oder meinen sie es wirklich ernst? Fühlen sie sich wirklich im Recht mit ihren Aussagen und sind sie überzeugt von ihrem Handeln?

Wie oft werden Hundebesitzer und ihre Hunde von anderen freilaufenden Hunden belästigt? Dürfen läufige Hündinnen überhaupt mit in die Öffentlichkeit? Und wenn keine Leinenpflicht in einem Gebiet ist, darf mein Hund dann jeden belästigen - egal ob es sich um Radfahrer, Jogger, Reiter (Pferde sind und bleiben Fluchtiere), Fußgänger oder andere Hunde handelt?

Besonders toll finde ich es, wenn Mehrhundehalter ihre gesamte Gruppe auf einen Einzelhund zustürmen lassen. Selbst wenn die Gruppe dem einzelnen Hund nichts tut, ist es ein fürchterlicher Stress für das Einzeltier.

Wie oft lesen wir "mein Hund hört zu 99% aber ausgerechnet da hat er......"  Viele Menschen haben Angst vor Hunden - Haben diese Menschen auch nichts in der Öffentlichkeit zu suchen? Wir reden in Deutschland über ca. 7,4 Millionen Hunde (Stand 09/2012 IVH) und viele von ihnen laufen ohne gute Erziehung einfach frei herum. Wir Hundebesitzer brauchen uns dann nicht zu wundern, dass es immer mehr Hundehasser gibt. 

Je besser ein Hund erzogen ist, desto mehr Freiheiten kann er genießen. 
Solange aber die Mensch-Hund-Beziehung nicht stimmt und der Hund nicht oder nur schlecht erzogen ist, handelt es sich nur eine Pseudo-Freiheit, welche für Hund und Halter sehr viel Stress bedeuten. Jeder Vorfall bei dem der Mensch seinen Hund anbrüllt, bringt die Mensch-Hund-Beziehung weiter auseinander. Der Hund lernt dass er seinen Menschen nicht ernst nehmen muss und dadurch immer mehr Entscheidungen für seinen Menschen trifft. Der Hund übernimmt somit die Führung - in allen für ihn wichtigen Entscheidungen. Die meisten Hunde sind dabei mit ihrer selbst übernommenen Führung total überfordert. Irgendwann werden die Reize dann zu groß und sie reagieren nicht mehr angepasst. Das kommt dann für den Menschen total überraschend und nicht nachvollziebar: "DAS HAT ER NOCH NIE GETAN!."

Für die Zeit, bis Mensch und Hund zu einem guten Team mit einer starken Bindung und vertrauensvoller zuverlässiger Beziehung zusammengewachsen sind, gibt es ein Hilfsmittel genannt  Leine - was für eine tolle Erfindung! In Verbindung mit gutem Training löst die Leine fast alle Probleme, fördert die Bindung und auch der Abruf klappt zuverlässig im ersten Versuch. Natürlich ist es auch viel Arbeit und oft auch lästig einen Hund ordentlich an der Leine zu führen und zu arbeiten - aber auch an der Leine kann man viele tolle Spiele mit dem Hund machen und diesen damit komplett auslasten. Mensch und Hund können viel Spaß miteinander haben, erste Erfolge stellen sich schnell ein. Für die Menschen, welche ihren Hund nicht anleinen können, weil er dann so zieht sei folgendes gesagt: Leine ziehen ist ein erlerntes Verhalten (Selbstbestätigendes Lernen). Das kann man mit Sachverstand und liebevoller Konsequnz schnell wieder in den Griff bekommen. Gute Hundeschulen mit Trainern, die einem dabei helfen findet man in ganz Deuschland!  Unsere Hunde und auch wir Menschen haben viel weniger Stress, wenn wir Menschen die Führung behalten.

Es ist ein tolles Gefühl, wenn ein Hund seinen Besitzer anschaut und fragt: "Was tun wir jetzt?" Unsere Mitmenschen reagieren dann viel freundlicher auf uns - und die oben geschilderten Vorfälle gehören dann der Vergangenheit an. Es lohnt sich! 




Petra Botte

Dienstag, 5. Mai 2015

Wegwerfartikel Hund?

Wir wollen einen Hund! Ein Bordercollie, oder einen Aussi. Die sehen schön aus! Arbeiten muss der Hund bei uns nicht! - Er soll es gut haben, mit den Kindern spielen. Wir haben einen großen Garten und können täglich nach der Schule / Arbeit mit ihm spazieren gehen. Nee, eine Hundeschule brauchen wir nicht, meine Oma hatte ja schon einen Hund und unsere Nachbarn haben auch einen...

So oder so ähnlich kann man es in vielen Foren lesen oder hört es immer wieder.  Die Hunderasse spielt dabei keine Rolle.
Dass es sich bei einem Hund um ein soziales, intelligentes Lebewesen mit Bedürfnissen handelt wird meist vergessen.
Also wird ein Welpe angeschafft, oft ohne sich über die Rasse informiert zu haben. In dem Hundebuch in das man mal geschaut hat stand auch Familienhund... Faszinierenderweise steht es bei fast jeder Rasse in vielen Büchern.
Der kleine Hund kommt ins Haus und eine große Willkommens-Party steigt, jeder der Freunde und aus der Familie will den Kleinen ja kennenlernen - Reizüberflutungen für den Welpen. Man meint es nur gut mit dem kleinen Liebling! Die große Freiheit im ganzen Haus, viel Spielzeug und die teuersten Leckerchen für den Welpen.
Im besten Falle wird noch eine Welpengruppe besucht, aber nicht damit der Kleine was lernt, nein, er soll Freunde finden und mit anderen Welpen toben. Die Welpengruppe soll eine große Wiese haben und wenn es noch Kaffee und Kuchen gibt in der Zeit wo die kleinen Spielen ist alles super!
Zu Hause werden die abenteuerlichsten Erziehungsmethoden ausprobiert, meist eine Mischung aus einem Laissez-faire Erziehungsstil begleitet von stark autoritären Einschlägen, mit viel Brüllerei und sogar Gewaltbereitschaft aus Überforderung - im Web findet man die haarsträubendsten Empfehlungen.

Gut gemeint und gut gemacht sind leider zweierlei! Spätestens wenn der Kleine dann 6 bis 8 Monate alt ist stehen die ersten echten Probleme an. Er zerrt an der Leine, oder pöbelt sogar schon herum. Der Kleine hat gelernt, dass er der Nabel der Welt ist und als solcher auch viele Entscheidungen zu treffen hat. Im Idealfall wird sich spätestens dann professionelle Hilfe geholt.
Aber professionelle Hilfe kostet Geld, viel Zeit und ganz viel Arbeit. Es freut mich, wenn Menschen sich dem hausgemachten Problem stellen und die Verantwortung übernehmen. Andere empfinden das als ganz schön lästig....  Also muss der Hund wieder weg! Die Frage: " können wir den gleich hier lassen? Der Hund ist ja selbst schuld, wir haben alles für ihn getan!" kommt auch vor.
Das Netz und die Zeitungen sind voll mit Hunden unter einem Jahr, welche leider alle wegen Allergie, Trennung oder anderer netten Geschichten dringend vermittelt werden müssen. Besonders dreist ist es dann, wenn ein Hund welcher den Gebrauch seiner Zähne schon gelernt hat, hemmungslos an Leute mit kleinen Kindern verkauft wird.

Schade!
Was wird aus diesen vielen Hunden, welche zum Teil schwere Verhaltensauffälligkeiten aufzeigen.
Ich persönlich kann immer nur einem solchen Hund ein neue Zuhause bieten.
Wer ist für diese armen Tiere verantwortlich? Der Hund hat nichts falsch gemacht!

Für mich ist ein Hund ein sozialer Partner, welcher eine liebevolle, konsequente, souveräne, für ihn logisch nachvollziehbare Erziehung verdient. Eine Erziehung in der Probleme sofort "besprochen" werden und für den Hund sinnvolle Alternativen aufgezeigt werden. Der Aufbau einer festen Beziehung und die Erziehung beginnt an dem Tag, an dem der Hund bei mir einzieht. Was ich nicht möchte erlaube ich vom ersten Tag an nicht. Was ich ihm heute erlaube darf er sein Leben lang. Er würde nicht verstehen, warum er zum Beispiel Sonntags in die Küche darf und den Rest der Woche nicht.
Ich trage die Verantwortung für das Tier welches ich mir anschaffe und das bis zu seinem letzten Tag!

Hundetrainer / Schulen bieten Beratung vor der Anschaffung an und begleiten die Erziehung in Theorie und Praxis, was wesentlich einfach und preiswerter ist, als die Therapie von Verhaltensauffälligkeiten.


Petra Botte 
Creahof, Zentrum für Hunde